Portrait: Helferin Inga Orlowski – Inklusion hoch 2

„Glücklich trotz Amputation“ – Als Leistungssportlerin? Ja.

Als Inga Orlowski vor rund zehn Jahren die Entscheidung traf, ihr rechtes Bein amputieren zu lassen, lagen Jahre bitterer gesundheitlicher Rückschläge hinter ihr. 1998 hatte sich die Fußballerin am Kreuzband verletzt. Es gab Komplikationen, eine Operation folgte der nächsten. Jahrelang musste sie bereits einen Rollstuhl nutzen und starke Medikamente nehmen. Nach einer lebensbedrohenden Sepsis entschied sie: Jetzt ist es genug. Sie überzeugte ihre Ärzte, überzeugte eine Ethikkommission, fand eine Klinik, die bereit war, die Operation durchzuführen und machte den Termin aus. „Die Zeit vor der Operation war schon seltsam“, sagt sie. Noch einen Monat mit zwei Beinen, noch eine Woche, dann das letzte Mal den Fuß waschen ….

Inga Orlowski mit Tayo (Foto:SOD/Agnes Witte)

Die Oberschenkel-Amputation war ein voller Erfolg. Keinen Moment hat Inga Orlowski seitdem ihr Bein vermisst. „Im Sport, im Beruf und im gesamten Alltagsleben war meine Entscheidung eine Befreiung“, sagt sie. „Ich habe meine Beweglichkeit zurückbekommen, ich bin flexibel und selbstständig“. Und so ist sie weiter im Sport aktiv, macht Kraftsport und Ballsportarten im Rollstuhl. Letzteres allerdings in letzter Zeit weniger – wegen Tayo.

Tayo – Ein Hund für alle Fälle

Der eineinhalbjährige Labrador unterstützt Orlowski im Alltag. Im Welpenalter kam er zu ihr. „Das trägt dazu bei, dass wir eine sehr enge Bindung haben. Schließlich ist Tayo ständig bei mir und muss mich in allen Belangen unterstützen können.“ Ein Assistenzhund beherrscht nach Abschluss seiner Ausbildung alle Tätigkeiten, die seine Herrin benötigt: Er kann Gegenstände aufheben und bringen, Schubladen öffnen und Dinge herausholen, das Telefon bringen, beim Einkauf assistieren, im Notfall Hilfe holen oder auch den Rollstuhl ziehen. Seit Neuestem haben Herrin und Hund ein gemeinsames Hobby. Sie lernen jagen, Tayo bereitet sich auf die Jagdhundeprüfung vor und Orlowski auf den Jagdschein. „Für mich war das eine große Umstellung. Nie zuvor hatte ich z.B. ein totes Kaninchen oder einen Fasan angefasst.  Und für Tayo ist die Jagdhundeausbildung ein Glücksfall. Er liebt es.“

Begleithund Tayo (Foto:SOD/Agnes Witte)

Hauptberuflich arbeitet die 42-jährige bei der Staatsanwaltschaft in Lübeck. Dort engagiert sie sich in der Schwerbehindertenvertretung. „Mir ist wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen ihre Rechte kennen“, sagt sie. „Nur dann kann die Teilhabe vollständig gelingen.“ Vor Themenmangel hat sie keine Angst, im Bereich der Inklusion sieht sie noch viele Baustellen. „In anderen Ländern, wie z.B. in Holland, werden Assistenzhunde auch zur psychischen Unterstützung eingesetzt, zum Bespiel bei posttraumatischen Erkrankungen. Davon kann Deutschland noch viel lernen.“

Privat und beruflich ist Orlowski nach der Entscheidung zur Amputation sanfter geworden. „Ich muss niemandem mehr etwas beweisen“, sagt sie.  Dabei ist sie ein enormes Energiebündel, engagiert sich ehrenamtlich in vielen Bereichen, so auch bei Special Olympics. „Als ich hörte, dass Special Olympics nach Schleswig-Holstein kommen, wollte ich unbedingt dabei sein. Die Stimmung, die Athletinnen und Athleten, die Freude an allen Ecken, die Geschichten, das macht die Special Olympics aus.“ Und so sind Inga Orlowski und Tayo in der Landeshauptstadt unterwegs und tragen dazu bei, dass die Spiele gelingen können.

Wie macht sie das? „Nach meiner schweren Infektion habe ich verstanden, wie sehr ich am Leben hänge. Ich habe mein Leben selbst in die Hand genommen und ich treffe meine eigenen Entscheidungen.“

Text: Agnes Witte

Inga Orlowski (links) mit Redaktionshelferin Nele Gerschwitz (Foto:SOD/Agnes Witte)